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Das Museum als Abenteuerspielplatz

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Als das Musée d‘Art Moderne Grand-Duc Jean 2006 seine Pforten öffnete, versprach man einen lebendigen Ort für zeitgenössische Kunst. Ein großes Versprechen, denn zeitgenössische Kunst gilt gemeinhin als spröde, schwer verständlich und intellektuell überbefrachtet und die Ausstellungshäuser können nur selten mit großen Namen punkten. Viele Museen für aktuelle Kunst müssen um Besucher kämpfen und oftmals herrscht gähnende Leere. Nicht so im Mudam, das mit einer großen Portion kuratorischem Geschick Entdeckungen ermöglicht und die Besucher immer wieder begeistert.

Derzeit zeigt das Museum im Erdgeschoss großformatige Arbeiten des hierzulande weitgehend unbekannten Künstlers Rui Moreira. Seine in kräftigen Farben gehaltenen Gouaches sind inhaltlich wie formal sehr komplex, aber wunderschön anzuschauen und voller kultureller Anspielungen, die es zu enträtseln gilt. Mit oftmals kleinen abstrakten und geometrischen Strukturen schafft der Portugiese riesige Werke auf Papier. Beeinflusst sind seine Bilder von seinen Reisen nach Afrika, Indien oder in den Norden Portugals. Viele Landschaftsbilder erinnern in der Ausführung an japanische Holzschnitte.

Im anderen Flügel des Erdgeschosses läuft derzeit die Ausstellung Art & Me. „Kunst & ich“ ist so etwas wie ein Abenteuerspielplatz für Kinder und Erwachsene und lädt zum Entdecken ein. Die Ausstellungsräume erinnern an eine Mischung aus Wohn- und Kinderzimmer. Da ist Kunst fröhlich gemischt mit Design, man kann sich selbst als Künstler ausprobieren und in Büchern schmökern, die in einem durch den Raum gewundenen Regalsystem verteilt sind. Leider wirkt das alles ein bisschen wie ein überfüllter Kramladen, in dem die Kunst untergeht. So findet man einige Arbeiten kaum oder übersieht sie leicht, wie etwa die acht Kladden des Saarbrücker Liquid Penguin Ensemble. Während eines Sommerprojekts im Museum haben 628 Besucher ihre Lieblingswörter in einen „Wortcontainer“ geworfen und erklärt, weshalb diese Wörter für sie so wertvoll sind. Die Künstler haben daraus eine Klangenzyklopädie zum Anhören gebastelt. Ein echter Ohrenschmaus zum Schmunzeln.

Rui Moreira, La Nuit (Les Télépathes), 2011 Gouache, gel pen and colored pencils on paper 191 x 184,5 cm Private collection, France © Rui Moreira, photo: Laura Castro Caldas

Rui Moreira, La Nuit (Les Télépathes), 2011
Gouache, Buntstifte auf Papier
191 x 184,5 cm, Privatsammlung, Frankreich
© Rui Moreira, Foto: Laura Castro Caldas

Wie immer präsentiert das Museum einen Teil seiner Sammlung im Obergeschoss. Unter dem Titel „Solides Fragiles“ zeigen die Kuratoren derzeit minimalistische Kunst und zeigen auf, wie Künstler mit minimalen Mitteln zur Neuentdeckung des Raumes einladen oder mit ihren Werken die Umgebung verändern oder definieren, wie etwa Fred Sandback, der Fäden durch den Raum spannt.

Im Zentrum des Hauses steht die Videokünstlerin Sylvie Blocher. In der Grand Hall fordert die Französin das Publikum zur Mitwirkung auf. Die Besucher können sich nach Voranmeldung mit einer Flugmaschine in zwölf Meter Höhe ziehen lassen und die „Welt neu zu entdecken“. Viele staunen, manche weinen, andere genießen einfach das Gefühl des Fliegens. Das zeichnet die Künstlerin auf und wird daraus bis Februar 2015 einen Film machen. Schon jetzt sind einzelne Sequenzen auf vier Bildschirmen im Keller zu sehen.

Auch die beiden Galerien im Untergeschoss darf die vielseitige Künstlerin mit Videoarbeiten bespielen. In „Alamo“ zeigt sie anschaulich, dass die amerikanische Geschichte von Weißen geschrieben wurde. Der offiziellen Geschichtsschreibung der Schlacht um Alamo im texanischen Unabhängigkeitskrieg setzt sie Fassungen eines hispanischen, eines afroamerikanischen und eines indianischen Erzählers entgegen und entlarvt so die einseitige Darstellung, die eine Beteiligung anderer ethnischer Gruppen verschweigt. Nicht ohne Hintergedanken ist auch die Videoarbeit „Change the Scenario“, in der sich der afroamerikanischen Albino Shaun Ross ein Mal mit weißer und ein weiteres Mal mit schwarzer Farbe einschmiert. Es ist ein Spiel mit Stereotypen, das Blocher perfekt beherrscht ohne dabei allzu offensichtlich zu werden.


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